1.
ich höre
sie sagen
um dich ranken sich geschichten du
seist ein besonderer berg deine
insellage einzig dein
himmel hoch dein
gestein
beizeiten
rot
ich höre
sie sagen
partikelweise
habe sich
australien gesenkt und
sei in dir
herausgekommen
als mineralienstaub oder
ein brennen im hals des
wanderers oder tröstlicher
wind im haar einer
läuferin all das
höre ich
erzählt
man sich
über
dich
2.
ich höre
sie sagen
in deinen wäldern wohne eine
gottheit sie
verfüge über ein verzeichnis
der leiden die noch nicht
verzeichnet worden sind
blinde
flecken vergessene
fragen nie geborene
kinder falsche
zeitpunkte
unversuchte morde zu
unrecht
verstoßene umsonst
gehasste, halb
aufgebrochene
wahrheiten ungeklärte
sehnsüchte nicht gebrochene
schweigen und pausen, die doch nicht
gemacht worden sind
3.
ich höre
sie sagen
dein heilendes herbarium
entlockt dir, wer den stimmen in den
blättern lauscht in die luft horcht
wo der himmel hoch und der wanderer klein ist
unter ihm
nur noch
der stein
4.
ich höre
sie sagen
in zeiten unsteter witterung
grolle dein seufzen bis in die scheunen
der höfe hinein selbst das herz des
einsamen hirtenjungen habe es
ver - rückt dabei hast du nur
über sterbene bäume geseufzt
fragtest nur wortlos
was
noch
ich höre
sie sagen
in deinen wäldern wohne eine
gottheit sie
verfüge über ein verzeichnis
der leiden die noch nicht
verzeichnet worden sind
du kennst unsere stellen du
weißt woran es uns krankt
was
also
schreibst
du
uns
auf
5.
ich höre
sie sagen
gegen sterben alter bäume zwei
handvoll besinnung in schwarzerde
zwischen fest verschränkte finger zweier
mutterhände niemals
würde
sie
loslassen, das
ist die
mutter.
erde
hält ja nicht zwischen beliebigen
händen
ihr könnt sie nicht lernen oder
finden wenn ihr sie sucht und die
schuhe abstreift
wisst ihr
sie
noch
6.
ich höre
sie sagen
in deinen wäldern wohne eine
gottheit sie
verfüge über ein verzeichnis
der leiden die noch nicht
verzeichnet worden sind
eine eigene kammer hast du für
die nachkommen und die vorfahren die
ungeborenen die vor der zeit
gegangenen alle, die hätten sein
sollen und dann doch nicht gewesen
sind oder das, was wir uns vorgestellt haben
unter
sein
gegen trauer aller art gibst du gern johanniskraut
blut der götter, hypericum perforatum als
paste, brühe, salbe, im zopf oder kranz,
unter der schwelle jener, die zurückkehren sollen als
essenz das gelbe der blutenden blüte ist,
was wogen deiner zuversicht in vor
trauer starrer körper schickt
trost durch beispielsweise fünf milligramm
gottesblut erfährt, wer sorgfältig seinen bauch entblößt hinter
der ersten erwähnenswert warmen fensterscheibe im jahr bei fraglos geschlossenen lidern und wartet
bis das dunkel weicht zu
tanzen beginnt oder
rot geworden ist inne hält
wenn es
gelb ist
seid ihr satt
7.
ich höre
sie sagen
in deinen wäldern wohne eine
gottheit sie
verfüge über ein verzeichnis
der leiden die noch nicht
verzeichnet worden sind
ich höre
sie sagen
gegen ungelebte leben gibst du gern gegerbtes
sonnengereift angedunkelt
vertrocknetes dazu schalen
bitterer birnen du meinst nur sehr alt
mussten wir werden bis wir verstanden
dass deine geduld die dünnen hellen fäden sind
sie mit denen du dich jahr für jahr über diese ungelebten leben beugst und dann bittere schalen streust in einer
verkehrten
welt
kaut
was ihr nicht
kostet und spuckt es unter den
rundesten stein am wegrand das
nächste
laute lachen
das ihr hört
gilt
euch
8.
ich höre
sie sagen
du sagst:
das mittel gegen ungeklärte todesängste steht bei a unter albizia, auch: seidenbaum. auch: persischer ahorn. schlafbaum. Herzwurzler selbstredend. des passanten schockliebe. Eine persische sage besagt, dass jeder eine in der nähe hat, der eine braucht. also halt ausschau, suche die albizia deines vertrauens, und wenn du keine hast, brauchst du sie nicht. hast du aber eine, warte auf den sommer. an einem schönen tag, nimm dein herz, dein kind und alle blinden flecken mit und setz dich unter ihr geäst, wo die schatten fleckig fallen und die erde warm und sandig ist.
so
bleib.
öffne beine
herz und hände
gleichermaßen
ganz
öffne beine
herz und hände
gleichermaßen
ganz
so
lass dich
gießen.
dann geh
achte gleich oder später auf die stelle wo das war
wo jetzt eine narbe ist, die bald nicht mehr
zu sehen sein wird. Statt deiner angst ist dir
die narbe gewachsen auf der narbe wieder haut,
auf der haut eine salbe, auf der salbe ein tropfen,
auf dem tropfen licht, auf dem licht augen
in den augen ein blick im blick
dein kopf dein kern dein
grund alles ist erleuchtet
gottesblutgleich
dir zum beweis
tragen himmel allerorts
ihr rot an den schläfen der ränder solcher tage
um dich
zu
erinnern
jetzt
weißt du
es wieder
9.
ich höre
sie sagen
in deinen wäldern wohne eine
gottheit sie
verfüge über ein verzeichnis
der leiden die noch nicht
verzeichnet worden sind
ich höre,
sie sagen,
dein element ist die schrift du schreibst uns hinter die ohren was wir nicht vergessen: zärtlich im dunkeln geflüstertes, leise hinterhergesagtes, dumm und leer fantasiertes, aus übermut konstatiertes, mischt und stampfst du in den mörsern deiner zuversicht die endlos scheint wie der horizont deiner alleinlage
10.
bin ich rot
gelb
stein oder
staub? wie lange
lebe ich? kann ich jetzt die
chefin sprechen? kann ich bitte stephie
sprechen?
was
hast
du
mir
gegeben?
und was schreibst du mir dagegen auf?
bin ich mensch, haut, narbe, die salbe auf ihr?
tropfen, licht, das auge, dass mich anschaut, und wenn ja, was sieht es in meinem gesicht? ist das der himmel oder was du mir weißmachst und
wieso eigentlich nicht. ich ließe mir noch viel mehr sagen als das. und wenn du es mir gleichtust, trage ich dir nichts nach.
statt deiner angst ist dir
die narbe gewachsen auf der narbe wieder haut,
auf der haut eine salbe, auf der salbe ein tropfen,
auf dem tropfen ein licht, auf dem licht augen
in den augen ein blick im blick
dein kopf dein kern dein
grund alles ist
erleuchtet gottesblutgleich
dir zum beweis
tragen himmel allerorts
ihr rot an den schläfen der ränder solcher tage
um dich
zu
erinnern
jetzt
weißt du
es wieder